Der Krieg unterbrach alle diese Unternehmungen. Eine geplante Bauart München vierteilig mit Jacobsdrehgestellen sowie ein weiterer Mittelwagen für die Bauart Berlin wurden nicht mehr realisiert. Erst nach dem Kriege knüpfte man bei der DB an die Tradition der Schnelltriebwagen an und entwarf und baute den VT 08.

Von Peter Jauch, Köln im Juni 2017

Die von der Deutschen Reichsbahn in Dienst gestellten Schnelltriebwagen der Bauarten Hamburg, Leipzig und Köln waren ausnahmslos mit schnell laufenden 12-Zylinder Maybach Motoren mit 410 bzw. 600 PS bei 1400 Umdrehungen pro Minute ausgerüstet. Größe und Gewicht dieser Motoren erlaubte den Einbau in einem sog. Maschinendrehgestell, wobei nicht nur Fachleute der Deutschen Reichsbahn befürchteten, dass die bei hohen Geschwindigkeiten auftretenden harten, schlagartigen Bewegungen der Drehgestelle, langfristig schwere Schäden an den Motoren hervorrufen könnten. Man war der Meinung, dass langsam laufende Dieselmotoren z. B. mit 700 Umdrehungen pro Minute, aufgrund ihrer einfachen und robusten Bauweise besser geeignet wären und dadurch geringere Instandhaltungskosten anfallen würden. 1938 stellte die Deutsche Reichsbahn daher zwei 4-teilige SVT Berlin in Dienst, bei denen die gesamte Motorleistung von 1320 PS in einem Maschinenwagen untergebracht war. Die geringe Geräuschentwicklung und die Laufruhe der Fahrgastwagen war die positive Auswirkung des veränderten Antriebskonzeptes. Die gute Zugänglichkeit der Antriebsanlage im Maschinenwagen, auch während der Fahrt, sowie die Möglichkeit einen schadhaften Maschinenwagen in kurzer Zeit zu tauschen, wirkte sich günstig auf die Instandhaltungskosten aus. Aber der Aufwand an Raum und Gewicht ließen doch erhebliche Zweifel an den angeblichen Vorteilen des langsam laufenden Dieselmotors aufkommen. Inwieweit die Zweifel berechtigt waren, konnte aber vor Ausbruch des Krieges nicht mehr geklärt werden.

Im Jahre 1939, vor Ausbruch des 2. Weltkrieges, plante die Deutsche Reichsbahn ein zweites Schnelltriebwagennetz, bei dem die Schnelltriebwagen morgens Berlin verließen und spätabends zurückkehrten, sodass eine Beschaffung weiterer SVT erforderlich wurde. Zunächst wurde erwogen, die SVT Köln mit einigen kleinen Änderungen weiter zu bauen, aber im Reichsbahn Zentralamt München hatte man andere Pläne. Ein 4-teiliger SVT mit Jakobsdrehgestellen würde die Beförderungskapazität gegenüber eines SVT Berlin sogar übertreffen. Als Antrieb war der von Maybach neuentwickelte 650 PS leistenden G6-Vorkammer-Motor und die bewährte elektrische Kraftübertragung vorgesehen. Von dem G6- Motor hatte die Deutsche Reichsbahn im Rahmen eines 4-Jahresprogramms bereits 90 Stück bestellt. Würde man aber den 4-Teiler wie vom Werkstättendienst gewünscht mit Einzeldrehgestellen ausrüsten, wäre er zu schwer geworden, das hatten Berechnungen ergeben. Abhilfe konnte nur die gewichtssparende Ausrüstung mit Jakobsdrehgestellen in Verbindung mit der Leichtbauweise erbringen. Eine ausschließliche Verwendung von Jakobsdrehgestellen wurde vom Werkstättendienst wegen des hohen Aufwandes z. B. beim Auskuppeln eines SVT – Mittelwagens abgelehnt. Um den Wünschen des Betriebs- und Werkstättendienstes entgegenzukommen, plante man, dass der neue SVT, der inzwischen den Namen „München“ erhalten hatte, aus zwei, mit automatischer Kupplung verbundenen Jakobseinheiten bestehen sollte und die Wagenkästen aus Gewichtsgründen aus Leichtmetall bestehen sollten. Berechnungen ergaben, dass bei fast gleichem Platzangebot von 150 Sitzplätzen das Gesamtgewicht bei 170 t gegenüber 212 t des SVT Berlin lag!

Als künftige Produktionsstelle für Schnelltriebwagen wurde die nach dem Totalverlust des Luftschiffs „LZ 129 Hindenburg“, nicht mehr benötigte ehemalige Luftschiffwerft in Friedrichshafen ausersehen. Deren Fachkräfte mit reicher Erfahrung im Luftschiffbau mit Leichtmetallen, wollte man künftig bei der Fertigung von hochwertigen Schienenfahrzeugen einsetzen. Als Probeauftrag war dem unter dem Namen“ Luftschiffbau Zeppelin“ firmierten Werk, bereits der Bau von vier zusätzlichen Mittelwagen für die SVT der Bauart Leipzig übertragen worden. Dagegen sollten die ersten acht SVT München noch von der Firma Linke-Hofmann- Busch in Breslau gefertigt werden. Dafür waren in der VT- Bestandsliste des RZA München bereits die Betriebs-Nummern mit SVT 137 904 bis – 911 bekanntgegeben worden. Aber weder die Mittelwagen für die SVT Leipzig, noch die SVT München sind im Krieg fertig gestellt worden. Vermutlich wurde gar nicht mit dem Bau begonnen. Von den 90 bei Maybach bestellten 650 PS Dieselmotoren vom Typ G6 sind während des Krieges, soweit bekannt, nur 2 Exemplare zum Einbau in die beiden Güterschlepp-Triebwagen VT 20.500 und – 501 an die Deutsche Reichsbahn geliefert worden.
Der im September 1939 ausgebrochene Krieg verursachte einen zehnjährigen Entwicklungsstillstand. Außerdem waren bei Kriegsende von den 35 ehemals bei der Deutschen Reichsbahn vorhandenen SVT nur noch fünf betriebsfähig. Sie waren von den Amerikanern erbeutet worden und als Lazarett-oder Salon-SVT für die US-Armee im Einsatz.

Als 1949 die ersten Gespräche zum Neubau von Schnelltriebwagen aufgenommen wurden, standen erprobte 800 PS bzw. 1000 PS Motoren für Neubau-SVT zur Verfügung. Ermöglicht wurde dies, weil im Krieg die Weiterentwicklung leistungsfähiger Motoren für Panzer stark gefördert worden war. Zusammen mit einem hydraulischem oder hydromechanischen Getriebe in einem sog. Maschinen-Triebdrehgestell (MTD) eingebaut, waren sie sowohl für die umgebauten 3-teiligen Vorkriegs-Schnelltriebwagen VT 07.5, als auch für die 3 bis 4-teiligen Neubau VT 08.5 gut geeignet.

Nach Kriegsenden waren daher die einst als Spitzenprodukt Deutscher Ingenieurskunst gepriesenen 600/650 PS Maybach Motoren für einen Einbau in Schnelltriebwagen nicht mehr gefragt. Für sie fand man ein neues Aufgabengebiet, den Antrieb von Rangierlokomotiven.

Das Projekt zum Schnelltriebwagen der „Bauart München“ von einem leider (noch) unbekannten Verfasser.

 

Die Reichsbahn-Hauptverwaltung hatte dem Zentralamt München im Frühjahr 1939 mitgeteilt, dass für eine umfassende Motorisierung des Bezirksverkehrs im rheinisch-westfälischen Industriegebiet in den nächsten Jahren ein Programm von ungefähr 300 vereinheitlichten Eiltriebwagen mit 650-PS-Dieselmotoren zu be­schaffen sei. Diese „Ruhrtriebwagen“ sollten bis zu drei Beiwagen mitführen. Außerdem beabsichtigte die Staatsbahn für ein zweites Schnelltriebwagennetz, welches am Morgen die Reichshauptstadt Berlin verließ und in der Nacht dorthin zurückkehrte, die Bestellung weiterer Fahrzeuge. Zwar stand auch zur Wahl, den Schnell­triebwagen der „Bauart Köln“ mit kleinen Abänderungen weiterzubauen, doch in München trug man sich mit anderen Gedanken. Mit zwei aufgeladenen 600-PS-Motoren des Typs 006, wie sie der dreiteilige Wagen besaß, wollte man ebenso viele Personen befördern, wie mit dem 1320-PS-Langsamläufer in den beiden Zügen der „Bauart Berlin“ transportiert werden konnten. Die dazu erforderlichen 20 Abteile sowie der Speiseraum bedingten aber – wie man schon bei der Entwicklung des Schnelltriebwagens der „Bauart Köln“ im Spätherbst 1935 errechnet hatte – einen zu schweren vierteiligen Wagen, solange der Werkstättendienst an seiner Ableh­nung der Jakobs-Drehgestellbauart festhielt.

Das Triebwagendezernat wagte in dieser Frage jedoch eine, neuerlichen Vorstoß. Zum einen bestätigten die Erfahrungen mit den Zügen der „Bauart Leipzig“ die Vorbehalte von Technik und Betrieb gegen das Jakobs Drehgestell kaum, und zum anderen ließ der Blick ins Ausland einen Mittelweg erkennen. Angeregt durch den großen Erfolg des „Fliegenden Hamburgers“ hatten in den letzten Jahren die Bahnen Italiens, Frankreichs, Belgiens, Hollands und Dänemarks gleichfalls recht schnelle Triebwagen in vielfältigen Konstruktionsformen beschafft. So liefen bei den Dänischen Staatsbahnen seit 1935 schon dreiteilige Garnituren auf Jakobs Drehgestellen, deren Bauart für den Verkehr zwischen Kopenhagen und Jütland um einen vierten Wagen verstärkt werden sollte. Weil sie aber auch noch mit Fährschiffen über den Großen Belt gebracht werden mussten, wurde ihre nächste Serie im Jahr 1937 so ausgeführt, dass sich der Zug aus einem Paar von Doppelwagen zusam­mensetzte. Jeder Maschinenwagen war mit dem folgenden Mittelteil nach der Bauart des Ingenieurs Jakobs verbunden, die beide inneren Fahrzeuge verfügten aber nicht über ein gemeinsames Drehgestell, sondern konnten mittels automatischer Kupplungen schnell vereinigt und getrennt werden. Dieser dänische „Lyntog“ – hatte also gegenüber der reinen Jakobs-Konstruktion bei vier Wagenkästen ein Laufwerk mehr, besaß aber immer noch zwei Drehgestelle weniger als ein Triebzug aus vier eng gekuppelten Einzelwagen. Anders ausgedrückt:

Dieser vierteilige Zug hatte ebenso nur sechs Drehgestelle wie der dreiteilige Zug der „Bauart Köln“ mit seinen vollständig getrennten, jeweils auf zwei Drehgestellen laufenden Wagen.

Das Reichsbahn-Zentralamt München stellte in dieser Art einige Musterentwürfe von Schnelltriebwagen auf, die aus zwei sechsachsigen Stammeinheiten von jeweils zwei Wagen mit Jakobs-Drehgestellen bestanden. Sie gerieten etwa zwölf Meter länger als die „Bauart Köln“ und waren entsprechend schwerer, schienen im Gesamtgewicht aber noch akzeptabel zu sein, denn Stahlleichtbau und Schweißtechnik sollten diese Wagen deutlich weniger wiegen lassen als die 200 t schweren Züge der „Bauart Berlin“, Gute Vorschläge zur Verwendung von Leichtmetall beim Bau von Eisenbahnfahrzeugen machte das Friedrichshafener Unternehmen Luftschiffbau Zeppelin, das bereits die Windkanalversuche zur Entwicklung der Kopfform für mehrere Schnelltriebwagentypen durchgeführt hatte und seit dem Untergang des Luftschiffs „LZ 129 Hindenburg“ am 6. Mai 1937 im amerikanischen Lakehurst dringend nach neuen Aufgaben suchte. Die Reichsbahn Hauptverwaltung beabsichtigte deshalb, diese Werkstätte mit der Detailkonstruktion und sogar mit dem Bau des neuen Zuges zu beauftragen, der zu Ehren des jungen Reichsbahn-Zentralamts die Bezeichnung „Bauart München“ erhalten sollte. Als besonders vorteilhaft empfand man, dass die ehemalige Luftschiffwerft am gleichen Ort ansässig war wie die Motorenfabrik Maybach. Dort war es inzwischen gelungen, die Abgasturboladung des Zwölfzylinders durch den Einbau einer Vorkammer so weit zu steigern, dass dieses Aggregat bei gehaltenem Gewicht schon 650 PS abgab. Einzelne solcher Motoren wurden bereits in den Zügen der „Bauart Köln“ erprobt. Die Gesamtleistung von 1300 PS erreichte endlich fast den Wert des Großmotors im Schnelltriebwagen der „Bauart Berlin“ und genügte auf jeden Fall, um auch die Fahrzeuge der geplanten „Bauart München“ mit J60km/h zu fahren. Um nicht noch mehr Einzelteile in den Werkstätten lagern zu müssen, wurde vorläufig nur eine Variante mit elektrischer Kraftübertragung geplant. Die Schnelltriebwagen der vierteiligen „Bauart München“ sollten in 20 geräumigen Abteilen 120 Sitzplätze 2. Klasse sowie 30 Plätze im Speiseraum erhalten. Für den Zugführer war ein eigenes Abteil neben dem Gepäckraum vorgesehen. Während die Konstruktion des Motordrehgestells und des Laufdrehgestells weitgehend von der „Bauart Köln“ übernommen werden konnte, war das Triebgestell in Jakobs-Bauart mit den beiden elektrischen Fahrmotoren völlig neu durchzubilden. Mehrfachtraktion mit den vorhandenen Zügen der „Bauart Hamburg“ und der „Bauart Köln“ war unabdingbar. Das Aussehen und den Luftwiderstandswert des Zuges wollte Maybach durch die neu entwickelten „Auspuff-Drehhutzen“ am Dach optimieren. Als Lieferwerk für die ersten. acht Exemplare – insgesamt war sogar an 30 Garnituren gedacht – sollte noch die Firma Linke-Hofmann-Busch in Breslau beauftragt werden, während der Luftschiffbau Zeppelin nur Einzelwagen oder Bauteile aus Leichtmetall beistellen sollte. Von Heinz R. Kurz wird angenommen, diese Züge hätten die Betriebsnummern SVT 137 904 bis 911 erhalten sollen.

Ehe aber der Luftschiffbau einen Vertrag erhalten sollte, wurde die Firma probeweise damit betraut, einen leichten zusätzlichen Mittelwagen für die Züge der „Bauart Leipzig“ zu liefern. Auf Anordnung der Hauptverwaltung sollten diese vier Garnituren den Publikumswünschen für den Verkehr zwischen Berlin und Beuthen besser angepasst werden, indem sie doch etwas mehr Sitzplätze der 2. Klasse erhielten. Der in Jakobs­-Bauweise eingefügte Waggon sollte demnach sieben zusätzliche Seitengangabteile aufweisen. Gleichzeitig wollte man den Großraum 3. Klasse im Maschinenwagen zu einem richtigen Speiseabteil umgestalten, wo 29 Fahrgäste verköstigt werden konnten. Nach dem Umbau sollten die Schnelltriebwagen der „Bauart Leipzig“ in ihren jeweils vier Teilen 72 Sitzplätze 2. Klasse und 70 Sitzplätze 3. Klasse aufweisen. Insgesamt würde die Zahl der Plätze in Zügen dieser Bauart, die weiterhin auf der Flachlandstrecke von Berlin nach Beuthen eingesetzt werden sollte, von 139 auf 171 Sitze steigen.

Ob der Auftrag zum Bau dieser Verstärkungswagen vor Beginn des Krieges noch ausgeführt werden konnte, ist ungewiss. Erst nach 1945 hat die Reichsbahn der DDR den Zug SVT 137 234 der „Bauart Leipzig“ mit einem zweiten Mittelwagen versehen, der jedoch aus einem ausgemusterten Triebwagen der „Bauart Hamburg“ (SVT 137 226) gewonnen wurde.